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VIII.6 Rhipicephalus Koch, 1844

Zecken der Gattung Rhipicephalus sind in Öster­reich nicht ⇒ autochthon, weil es sich bei diesen wärmeliebenden Tieren um ehemalige Bewohner des afrikanischen Tropengürtels handelt. In Südeuropa kommen nur die beiden Arten R. sanguineus, die dt: Braune Hundezecke, und R. bursa vor, im Nahen Osten und der Türkei bis nach Westchina ist R. turanicus verbreitet. cit. Yang et al. [2020]. In den letzten Jahren wurde die Braune Hundszecke allerdings weltweit durch illegal durchgeführte, den Grenztierarzt umgehende Hundetransporte verschleppt. Diese Art kann sich als Kulturfolger tatsächlich auch in ganzjährig bewohnten und beheizten Gebäuden im hohen Norden Europas halten. Einige andere Arten werden wohl auch gelegentlich verschleppt, konnten sich jedoch bislang zumindest in Öster­reich nicht ansiedeln und sind daher Zufallsfunde.

Inhaltsverzeichnis:

 

VIII.6.1 Kurzbeschreibung der Gattung

  • Benennung: Schild­zecken - Hard Ticks - Ixodidés - garrapatas duras
  • Klassifikation nach ICD-10-GM: B88.2 Sonstiger Befall durch Arthropoden
  • System (Reich/Stamm/Klasse/Ordnung/Familie): Metazoa/Arthropoda/Arachnida/Ixodida/Ixodidae
  • Artenzahl: Rhipicephalus: 85 Arten im Jahre 2020, in Öster­reich wird die Existenz von zwei Arten angenommen
  • Charak­teristik: Temporärer, obligatorischer, euryxener, telmophager, ektoparasitischer Blutsauger
  • Status: Erreger und Vektor
  • Größe: 3 bis 5 mm, vollgesogene Weibchen 12 mm
  • Übertragungsart: Beim Blutsaugen mit dem Speichel
  • Wirtsspektrum: Bevorzugt große Säugetiere, insbesondere Haus- und Nutztiere, auch den Menschen
  • Verbreitung: Kosmopolitisch verschleppt, Verbreitungsschwerpunkt Afrika, in Öster­reich Neozoa
  • Entwicklung: Ein Larven­stadium, ein Nymphen­stadium, getrenntgeschlechtliche Adulte
  • Entwicklungs­dauer: (E/L/N/A): ??d/??d/bis ?m/bis ??, zusammen 3 - 4 Monate
  • Habitate in Zentral­europa: Vermutlich ausschließlich indoor, Ställe, Verschläge, Hundehütten und sonstige Schlafplätzen der Wirte

Bild-Rhipicephalus lebendig

Abb. VIII.6.1: Eine mä:nnliche Zecke der Gattung Rhipicephalus.
© unbekannt.

Die Gattung Rhipicephalus entstand vermutlich in Afrika, wo im Jahre 2020 etwa 60 der weltweit insgesamt 85 Arten gefunden werden. Die Palpen sind kurz und breit, die ⇒ Basis capituli ist von dorsal gesehen meist sechseckig. Üblicherweise ist das Schild nicht ornamentiert, es ist außer bei einigen afrikanischen Arten einfarbig. Bei den Tieren der Gattung Rhipicephalus sind die Augen an den Seiten des Schildes gut entwickelt. Es sind elf Festone vorhanden, die ⇒ Coxen des ersten Bein­paares sind tief gespalten. Die Männchen haben Adanalschilder und normalerweise auch noch zusätzliche Schilder. Die ⇒ Spirakular­platten sind kommaförmig. Beim Männchen einiger Arten ist ein Schwanzanhang am mittigen Feston vorhanden. Die Zervikalfurchen sind tief und verbreitern sich hinten. Die Analfurche umgibt den ⇒ Anus von hinten. Die Spirakular­platten sind kommaförmig, beim Männchen stark verlängert, beim Weibchen eher kurz. Die Außenseiten der Basis capituli sind stark zugespitzt. Bei einigen Arten endet das dritte Glied der Palpen mit einer zurückgebogenen scharfen Spitze. Auf der Bauchseite des ersten Glieds befindet sich ein kleines Plättchen mit kräftigen Borstenhaaren (⇒ Setae). Auf dem ⇒ Hypostom befinden sich je drei Längsreihen mit Zähnen. Ebenso wie bei den Dermacentor-​Arten sind die Coxen des ersten Bein­paares längs geteilt. Auf der Oberseite der Trochanter des ersten Bein­paares sitzt ein dreieckiger, nach hinten gerichteter Dorn.

Diese Zeckengattung ist weltweit verbreitet, es sind jedoch ursprünglich Tiere der Tropen und der Subtropen. Die Tiere dieser Gattung, außer die der ehemaligen Gattung Boophilus, sind gewöhnlich drei-​wirtig, es gibt aber auch eine Reihe zwei-​wirtiger Arten. Diese Zeckengattung ist als ⇒ Reservoir und ⇒ Vektor einer Vielzahl von Erregern von Tierkrankheiten besonders wichtig, insbesondere von Piroplasmen, Theilerien und Babesien. Tiere der ehemaligen Gattung Boophilus durchlaufen hingegen alle Entwicklungs­stadien auf einem Wirt, in den meisten Fällen einem Rind. Sie übertragen das Texas-​Fieber Babesia bigemina (Smith et Kilborne, 1893). Weit verbreitete und vermutlich mit Rindertransporten verschleppte ehemalige „Boophilus”-​Arten sind R. annulatus, die Rinderzecke, und R. microplus.

 

Bild-Rhipicephalus

Genus-​Synonyme sind Phauloixodes Berlese, 1889; Eurhipicephalus Neumann, 1904 und Rhipicephalus Tendeiro, 1962.


VIII.6.2 Bestimmungs­schlüssel für die Rhipicephalus-​Arten, die in Zentraleuropa heimisch sind oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen

Bestimmungsschlüssel für die Weibchen:

1a. Große Tiere, 3,5 bis 4,0 mm lang, die Areae porosae sind groß und oval, der Zwischenraum etwa gleich breit wie sie hoch sind, die Punktierung am Scutum ist fein mit gelegentlichen größeren Punkten, die Genital­öffnung ist V-​förmig • • • ➤ Rhipicephalus bursa
1b. Mittelgroße Tiere, 3,0 bis 3,8 mm lang, die Areae porosae sind schmal, die Genital­öffnung U-​förmig • • • ➤ 2
2a. Der Zwischenraum zwischen den Areae porosae ist 1,5-mal bis zweimal ihr Durchmesser, die Punktierung des Scutums ist fein mit selten größeren Punkten • • • ➤ Rhipicephalus sanguineus
2b. Der Zwischenraum zwischen den Areae porosae ist zweimal ihr Durchmesser, die Punktierung des Scutums ist variabel • • • ➤ Rhipicephalus turanicus

Bestimmungsschlüssel für die Männchen:

1a. Große Tiere, 3,0 bis 4,0 mm lang, die Punktierung am Scutum ist zahlreich und fein mit ein paar größeren Punkten in der Scapularregion, die Adanalplatten sind groß, dreieckig mit breitem Hinterende, die Spirakular­platten sind breit mit langen, schmalen, griffartigen Verlängerungen; am Vorderrand der ersten Coxa ist ein von oben sichtbarer, nach außen gerichteter Dorn • • • ➤ Rhipicephalus bursa
1b. Mittelgroße Tiere, 2,5 bis 3,2 mm lang, die Punktierung des Scutums zwischen fein und grob, meist vier mehr oder weniger reguläre Reihen an großen Punkten sichtbar, die Adanalplatten sind länglich dreieckig mit breitem Hinterende, die Spirakular­platten sind wie die Sohle eines Pantoffels geformt • • • ➤ Rhipicephalus sanguineus
1c. Mittelgroße Tiere, 2,7 bis 3,3 mm lang, die Punktierung des Scutums meist grob, die Adanalplatten sind variabel geformt, die Spirakular­platten sind zumindest zweimal so lang wie breit • • • ➤ Rhipicephalus turanicus

VIII.6.3 Kurzbeschreibung von in Europa nachgewiesenen Rhipicephalus-​Arten, die aber in Zentraleuropa mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorkommen

Rhipicephalus bursa Canestrini et Fanzago, 1878; en: Brown ear tick

Synonyme:
Digineus bursa Lotozky, 1956;
Eurhipicephalus bursa Stephens et Christophers, 1908.

Rhipicephalus bursa ist eine zwei-​wirtige Schild­zeckenart und ein mediterranes Faunenelement. Obgleich sie in der Schweiz gefunden wurde, glaube ich nicht, dass diese Art bereits bis nach Öster­reich vorgedrungen ist. Sie kann von anderen in Europa vorkommenden Rhipicephalus-​Arten dadurch unterschieden werden, dass bei ihr die ⇒ Spirakular­platten von zahlreichen Borstenhaaren (⇒ Setae) umgeben sind. Diese fehlen den anderen Arten. cit. Walker et al. [2000]. Rhipicephalus bursa kommt beinahe im ganzen Mittelmeerraum vor, außer in Ägypten, sowie im Nahen Osten bis nach Kasachstan. In Europa reicht der nördliche Rand ihres Verbreitungs­gebiets von Südfrankreich über die Schweiz, Oberitalien, Kroatien (Dalmatien), Bulgarien und Rumänien bis an die nördliche Schwarzmeer­küste. Die Zecke bevorzugt halbtrockene Gebiete, gras­bewachsene, niedrige bis mittelhohe Hanglagen, sowie Steppengebiete, also Gebiete mit extensiver Viehzucht. Sie attackiert auch den Menschen. cit. Bursali et al. [2010].

  • Hauptwirte sind die große Haustiere wie
  • Artiodactyla: Capra aegagrus hircus Erxleben, 1777 dt: Hausziege;
  • Ovis orientalis aries Linnaeus, 1758 dt: Hausschaf;
  • Bos primigenius taurus Linnaeus, 1758 dt: Hausrind.
  • Perissodactyla: Equus ferus caballus Linnaeus, 1758 dt: Hauspferd.
  • Selten befallen werden auch:
  • Primates: Homo sapiens Linnaeus, 1758 dt: Mensch.
  • Carnivora: Canis lupus familiaris (Linnaeus, 1758) dt: Haushund.

Diese Art kann durch unkontrollierte Viehtransporte leicht verschleppt werden, scheint sich aber in ⇒ Zentral­europa nicht etablieren zu können. Diese Zecken-​Art überträgt die Erreger von Viehseuchen auf Haustiere:
Auf Rinder: Babesia bigemina (Smith et Kilborne, 1893), Babesia bovis (Babés, 1888), Anaplasma marginale (Theiler, 1910);
auf Pferde: Babesia caballi (Nuttall et Strickland, 1910), Theileria equi (Laveran, 1901);
auf Schafe: Babesia motasi Wenyon, 1926, Babesia ovis (Babès 1888), Theileria separata Uilenberg et Andreasen, 1974, Anaplasma ovis Bevan, 1912, Ehrlichia ovina (Lestoquard et Donatien, 1936) Moshkovski, 1945. Weiters kann diese Zecke beim Stich eine ⇒ Paralyse auslösen und das Virus des Krim-​Kongo Hämorrhagischen Fiebers beherbergen.


Rhipicephalus rossicus Yakimov et Kol-​Yakimova, 1911

 

Synonym: Rhipicephalus sanguineus rossicus Olenev, 1929.

Rhipicephalus rossicus ist eine mittelgroße, rötlich hell- bis mittelbraune, drei-​wirtige Schild­zeckenart. Sie hat starke Beine und einen runden Körper. Das ⇒ Capitulum ist breiter als lang, die Palpen sind kurz und breit, die Augen flach. Diese Art gehört zur Rhipicephalus sanguineus-​Gruppe und wurde früher häufig in diese Art eingeordnet. Derzeit gilt sie als eigenständige Art. Diese Zecken-​Art ist bestens angepasst an die Tiefebenen und Hügeln Osteuropas und Zentralasiens. In Europa wurde sie in Polen, Moldawien, Rumänien, der Ukraine und Bulgarien gefunden, außereuropäisch in Westkasachstan, Armenien, Aserbaidschan, China, Dagestan, Georgien, dem Iran, Israel (verschleppt), Tadschikistan, der Türkei, Usbekistan und am Sinai (verschleppt). In Rumänien, Bulgarien und der Türkei soll Rhipicephalus rossicus ⇒ sympatrisch mit der Schwesternart, Rhipicephalus sanguineus vorkommen.

Die Lebensdauer der Tiere dieser Art beträgt zwei bis drei Jahre. Die Adulttiere saugen Blut an Nutz- und Haustieren, Igeln und gelegentlich Menschen, die subadulten Zecken an Igeln, Hasen und Nagetieren. In unsystematische Gruppen geordnet werden Nagetiere, Fleischfresser, Huftiere, Igeln, Spitzmäuse, Hasen, Singvögel, Hühnervögel und Falken als Wirte genannt. Angeblich können auch Reptilien (Lacerta agilis, L. viridis) und, höchst unwahrscheinlich, auch der Moorfrosch, Rana arvalis Wirte sein. Sie sind Vektoren und ⇒ Über­träger der Erreger von Francisella tularensis (McCoy et Chapin, 1912), des Q-​Fiebers Coxiella burnetii (Derrick, 1939), des Virus des Krim-​Kongo-​Hämorrhagischen-​Fiebers und des West Nil-​Virus. cit. Mihalca et al. [2015].


VIII.6.4 Einzelbeschreibung der Arten, die in Zentraleuropa heimisch sind oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen

   

Rhipicephalus sanguineus (Latreille, 1806)
   dt: Braune Hundezecke

 

Bild-Rhipicephalus sanguineus

Abb. VIII.6.3: Im Bild links ein Männchen, rechts ein Weibchen der Braunen Hundezecke.
© www.swr.de.

Im Falle dieser Zecken-​Art ist die Verwendung synonymer Namen besonders unübersichtlich. Es gibt zahlreiche Publikationen, in denen Quantitäten an Zecken anderer Arten genannt werden, von denen aber einige dieser Art angehören; es gibt aber auch zahlreiche Arbeiten über die Braune Hundezecke, in denen - ebenfalls nur zum Teil - ganz andere Arten bearbeitet wurden. Guglielmone et Nava [2014] weisen in ihrer Publikation deshalb keine Synonyme aus.

 

Synonyme:
Ixodes sanguineus Latreille, 1806;
Ixodes linnaei Audouin, 1826;
Ixodes plumbeus Dugès, 1834;
Rhipicephalus siculus Koch, 1844;
Rhipicephalus limbatus Koch, 1844;
Rhipicephalus rutilus Koch, 1844;
Rhipicephalus linnei Koch, 1844;
Ixodes dugesi Gervais, 1844;
Rhipicephalus rubicundus Frauenfeld, 1867;
Rhipicephalus carinatus Frauenfeld, 1867;
Rhipicephalus stigmaticus Gerstäcker, 1873;
Rhipicephalus beccarii Pavesi, 1883;
Rhipicephalus brevicollis Neumann, 1897;
Rhipicephalus flavus Supino, 1897;
Rhipicephalus bhamensis Supino, 1897;
Rhipicephalus sanguineus brevicollis Neumann, 1904;
Rhipicephalus sanguineus Neumann, 1904;
Boophilus dugesi Dönitz, 1907;
Rhipicephalus texanus Banks, 1908;
Eurhipicephalus sanguineus Stephens et Christophers, 1908;
Rhipicephalus breviceps Warburton, 1910;
Rhipicephalus sanguineus sanguineus Neumann, 1911;
Rhipicephalus dugesi Neumann, 1911;
Ixodes hexagonus sanguineus Séguy, 1935;
Rhipicephalus macropis Schulze, 1936.

Bild-R. sanguineus, WeibchenWeibchen: Der Körper ist oval und meist ziemlich breit, beim nüchternen Tier elf mm lang und sieben mm breit. Die Farbe ist rötlichbraun bis graugelb. Das ⇒ Scutum ist etwa 1,5 mm lang und in Höhe der Augen 1,3 mm breit. An seinem hinteren Rand befindet sich ein kleiner Vorsprung. Die Scapulae sind stumpf. Es ist rötlichbraun mit großen, dunklen, spärlichen, sowie kleinen, dicht verteilten Punkten. Am dorsalen Hinterrand der ⇒ Basis capituli sitzen zwei stumpfe, dreieckige ⇒ Cornua. Die Form ist eigentümlich. Die Frontalabschnitte erreichen nicht die Höhe des ersten Palpengliedes. Die ⇒ Areae porosae sind rund, etwas in die Oberfläche eingesenkt und scharf begrenzt. Das ⇒ Hypostom ist keulenförmig und in Höhe des dritten Seitenzahns am breitesten. Die Spitze ist flach und trägt je drei Längsreihen von zehn bis zwölf Zähnen. Die ⇒ Spirakular­platten sind dreieckig. Die Macula ist auffallend länglichoval. Die ⇒ Coxen des ersten Bein­paares sind geteilt, die der zweiten bis vierten Bein­paare tragen je einen stumpfen dreieckigen Außen­dorn. Auf der Unterseite der Tarsi der zweiten bis vierten Bein­paare befinden sich stumpfe Krallen.

 

Bild-R. sanguineus MaennchenMännchen: Das Scutum ist länglich, sein hinteres Ende halbkreisförmig. Es ist rötlich- bis dunkelbraun. Es ist mit großen, in Querreihen angeordneten Punkten, und gleichmäßig verteilten kleinen Punkten bedeckt. Die ⇒ Basis capituli zeigt die für die Gattung typische Form. Auf dem Hypostom sitzen in acht Querreihen großer Zähne, die Zahnformel lautet 3-3. Die Spirakular­platte ist schmal und kommaförmig. Die Macula ist klein und rund.

 

Bild-R. sanguineus NympheNymphe: Das hintere Körperende ist abgerundet. Der mittlere Feston ist ungefähr so groß wie die benachbarten Festone. Die Palpen sind trapezförmig mit abgerundeten oder schräg gestutzten Enden. Die Außenseite des zweiten Gliedes wölbt sich spitz vor. Auf seiner Unterseite befindet sich ein Dorn. Die Spitzen an den Außenseiten der ⇒ Basis capituli sind stumpf. Die ⇒ Coxen des ersten Bein­paares sind geteilt. Die Teile sind ungefähr gleich dick.

 

Bild-R. sanguineus, LarveLarve: Die Palpen sind trapezförmig und vorne schräg gestutzt. Die Zuspitzung der ⇒ Basis capituli an den Seiten ist vernachlässigbar.

 

Bild-Verbreitung von Rhipicephalus sanguineus in EuropaVerbreitung & Bionomie: Die Braune Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus, ist inzwischen mittels Verschleppung durch Viehtransporte auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis verbreitet. Es ist eine der am weitesten verbreiteten Zecken-​Arten aus der Familie Ixodidae. Ursprünglich war sie wahrscheinlich in den Savannen Afrikas und Madagaskars beheimatet. In Europa findet man sie hauptsächlich um das Mittelmeer und um das Schwarze Meer. Selbst in die Neue Welt, nach Mexiko, Arizona und Kalifornien (cit. Villarreal et al. [2018]), und nach Australien (cit. Barker et al. [2014]) ist die Art verschleppt worden. Es ist die sich derzeit am raschesten ausbreitende Zecken-​Art der Welt, diese Zecke findet man inzwischen vermutlich in allen Länder der Erde zwischen dem 60. nördlichen und dem 35. südlichen Breitegrad. cit. Prosl et Kutzer [1986]. In Öster­reich ist diese Zecke daher eine ⇒ allochthone Art, ein ⇒ Neozoon, möglicherweise sogar ein Bioinvasor (⇒ invasive species). Tausende von Tieren umfassende Populationen können in einigen Jahren aus einem einzigen vollgesogenen Weibchen entstehen. Ihre lokale Verbreitung hängt von der Dichte von Hundezucht­anstalten und -heimen ab, also handelt es sich zusätzlich um einen urbanen ⇒ Zivilisations­folger. Das Verhalten dieser Zecke wird als ⇒ endophil und ⇒ nidikol beschrieben. Es handelt sich aber trotzdem um eine tropische, ⇒ stenöke Zecken-​Art, die eine Vorliebe für hohe Temperaturen (20 bis 30°C) hat, und eine hohe Luftfeuchte benötigt, obgleich sie freies Wasser trinken kann. cit. Obsomer et al. [2013]. Es handelt sich um eine „Laufzecke”, also um ein aktiv nach dem Wirt suchendes und herumkrabbelndes Tier. Ihre optimale Entwicklung durchläuft diese Zecken-​Art bei 25 bis 30°C, da benötigt sie nur 70 Tage für das Durchlaufen einer Generation. Allerdings können die Tiere bei -​5°C bis zu zehn Tagen überleben. Die Art ist drei-​wirtig. Die Weibchen verlassen nach einer ein- bis zwei-​wöchigen Saugperiode das Wirtstier. Sie suchen dann einen passenden Ort zur Eiablage, zB Verputzrisse, -sprünge und Mauerspalten. Niemals verbleiben sie am Wirt. Sie legen innerhalb von vier bis zwanzig Tagen 2000 bis 5000 Eier. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist von der Temperatur und der relativen Luftfeuchte abhängig. Unter Laboratoriumsbedingungen wird der Entwicklungszyklus bei 29°C respektive 25°C und 80% Luftfeuchtigkeit in 65 respektive 85 Tagen durchlaufen. In einem warmen Sommer kann daher im Freien der Zyklus innerhalb von etwa vier Monaten durchlaufen werden. Man geht davon aus, dass in Mittel- und Nordeuropa jedes Jahr nur eine Generation durchlaufen werden kann, in den Tropen jedoch deren drei. Die kritische Temperaturgrenze liegt bei 20°C. Bei niedrigeren Temperaturen findet weder eine Häutung noch eine Eiablage statt, ohne dass allerdings die Fähigkeit dazu dauerhaft verloren geht. Im kontinentalen Klimabereich kann diese Art im Freien meist nur einen Sommer überleben, eine Überwinterung im Freien ist vermutlich (noch) nicht möglich. Im Haus beträgt die Lebensdauer dieser Zecke allerdings mehrere Jahre. Eine Etablierung bzw. ein ⇒ endemisches Auftreten von Rhipicephalus sanguineus ist daher in Öster­reich an ganzjährig bewohnte Räumlichkeiten, zB. Wohnräume, Hundezwinger und -​heime, mit konstant angenehmen Temperaturen gebunden. Deshalb wurde diese Art in Öster­reich erstmals erst 1972 auf einem aus Jugoslawien eingereisten Mann entdeckt. cit. Sixl [1972a]. Wegen der unklaren taxonomischen Position von Rhipicephalus sanguineus und nahe verwandter Arten lassen sich die Angaben zur Strenge der Wirtsspezifität dieser Art nur schlecht nachvollziehen. Sicher ist, dass der wichtigste Wirt der Hund ist. Daneben kann aber vielleicht auch das Schaf, Ziege, Rind Katze, Hase und das Huhn als Wirt genutzt werden. Der Mensch wird ebenfalls gerne als Blutspender akzeptiert. cit. Estrada-​Peña et Jongejan [1999]. Nach Angaben von Zumpt [1944] ist die braune Hundezecke bereits 1944 zu einer Hausplage ersten Ranges geworden, weil sie in dauerhaft belegten Hundeheimen und -​zwingern selbst in Norddeutschland existieren kann. Diese Zecken-​Art wird wahrscheinlich regelmäßig und häufig mit aus dem Balkan kommenden Hunden nach Öster­reich eingeschleppt. Der Entwicklungszyklus wird in unseren Breiten allerdings meist nur in geschlossenen Räumen (zB in Hundepensionen) vollendet werden können, wobei alle drei Stadien zwar überwintern können, dies im Freiland aber vermutlich bislang nicht vollbringen. cit. Prosl et Kutzer [1986].

 

Wirte: Die Strenge der Wirtsspezifität ist unklar, ebenso die Befähigung zur Nutzung von Blut aus einer anderen Quelle denn das des Hundes. Diese Zecke attackiert zumindest im Adult­stadium den Menschen. cit. Bursali et al. [2013] und Bursali et al. [2010].

  • Heimische Wirte aller Stadien:
  • Primates: Homo sapiens Linnaeus, 1758 dt: Mensch.
  • Artiodactyla: Capra aegagrus hircus Erxleben, 1777 dt: Hausziege;
  • Ovis orientalis aries Linnaeus, 1758 dt: Hausschaf;
  • Bos primigenius taurus Linnaeus, 1758 dt: Hausrind.
  • Carnivora: Canis lupus familiaris (Linnaeus, 1758) dt: Haushund;
  • Felis silvestris catus (Linnaeus, 1758) dt: Hauskatze;
  • Martes foina (Erxleben, 1777) dt: Steinmarder.
  • Eulipotyphla: Erinaceus europaeus Linnaeus, 1758 dt: Braunbrustigel.
    cit. Satta et al. [2011].

Erregerfunktion: Unbekannt.

Vektorfunktion: Diese Zecken-​Art kann Rickettsia conorii Brumpt, 1932, den Erreger des Zeckenbiss-​Fiebers, Rickettsia massiliae Beati et Raoult, 1993, Rickettsia aeschlimannii Beati, Meskini, Thiers et Raoult 1997, einem humanpathogenen spotted-​fever-​group-​Erreger, und Rickettsia africae Kelly et al. 1996, den Erreger des Afrikanischen Zeckenbissfiebers auf den Menschen übertragen. cit. Cicuttin et al. [2015] & Papa et al. [2016]. Außerdem ist sie der Endwirt von Hepatozoon canis (James, 1905), einem Apicomlexa, dessen Säugetierwirt der Haushund (Canis lupus familiaris Linnaeus, 1758) ist, und der durch die Ingestion (das Fressen) der Zecken übertragen wird. cit. Baneth et al. [2007]. Die Knochenmarksinfektion verursacht zehntägige Fieber. Dieser Erreger wurde erstmalig 2012 in Öster­reich nahe Wien nachgewiesen, und zwar in einem Goldschakal (Canis aureus Linnaeus, 1758), der ein Verkehrsopfer wurde. cit. Duscher et al. [2013]. Zudem kann sie an Hunde Babesia canis vogeli (Piana et Galli-​Valerio, 1895, den Erreger der milden Form der Hundebabesiose, und Ehrlichia canis (Donatien et Lestoquard, 1935), den Erreger der kaninen Ehrlichiose übertragen. Zecken dieser Art tragen in Sardinien Rickettsia spp. und Bartonella spp. in sich. Auch Coxiella burnetii (Derrick, 1939) wurde in ihnen gefunden. cit. Satta et al. [2011]. In einer etwas dubios anmutenden Literaturstelle wird behauptet, dass diese Zecke potentiell als Vektor von Leishmania infantum dienen könnte, kann doch die DNS des Leishmanien-​Kinetoplasten ⇒ transstadial und ⇒ transovariell passagiert werden. cit. Dabaghmanesh et al. [2013].


   

Rhipicephalus turanicus Pomerantzev, 1936
   

 

Guglielmone et Nava [2014] geben das Jahr 1936 als Jahr der Erstbeschreibung dieser Art an, obgleich angenommen wird, dass es sich dabei in Wahrheit um ein nomen nudum handelt. Im Jahre 1940 wurde eine Rhipicephalus-​Zecke noch einmal unter diesem Namen von Pomerantzev und anderen Autoren beschrieben, in dieser Beschreibung werden allerdings von einigen Bearbeitern die bona fides vermisst. Die Nomenklatur und die Abgrenzung dieser Zecken-​Art sind unklar. Zudem wird der Name des Erstautors nicht selten mit Pomerantsev angegeben.

Synonyme:
Rhipicephalus secundus Feldman-​Muhsam, 1952;
Rhipicephalus sulcatus Morel et Vassiliades, 1963;
Rhipicephalus turamicus Uzakov, 1964;
Rhipicephalus turanicus Morel, 1969;
Rhipicephalus gpe sanguineus Yeruham et al., 1996.

Bild-R. turanicus, MaennchenMännchen: Schild und Körperumriss sind birnenförmig. Eine mehr ins Detail gehende Beschreibung, auch eine der anderen Stadien, ist derzeit nicht verfügbar.

 

Bild-Verbreitung von Rhipicephalus turanicus in EuropaVerbreitung & Bionomie: In Öster­reich konnten Weibchen und Männchen nur einmal von einem Haushund in Kitzbühel in Tirol abgesammelt werden. Die Weibchen legten Eier, und es entwickelten sich daraus Larven. Ein weiteres Weibchen konnte vier Monate später wieder am selben Hund festgesaugt gefunden werden. Aus dieser Beobachtung kann man schließen, dass diese Zecken-​Art in unseren Breiten zumindest während der frostfreien Periode fähig zum Überdauern und vielleicht auch zur Vermehrung ist. cit. Sixl [1972a]. Diese Art hat das Potential um in Öster­reich unter Mithilfe des Menschen einzuwandern und sich in den nächsten Jahren als ⇒ Neozoon erfolgreich zu etablieren. Rhipicephalus turanicus wurde in Europa, Kleinasien und Nordafrika in beinahe allen Mittelmeeranrainerstaaten inklusive der großen Inseln gefunden, in Asien im Iran, Irak, Westchina, Syrien, Palästina, Israel, Jemen, der ehemaligen Sowjetunion (Aserbaidschan, Dagestan, Armenien, Kasachstan, Georgien, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan), Nepal und Indien. In Afrika: Senegal, Nigeria, Kamerun, Uganda, Sudan, Somalia, Äthiopien, Kenia, Burundi, Tansanien, Angola, Sambia, Malawi, Zimbabwe, Botswana, Namibia, Mosambik und Südafrika. Es handelt sich um eine weitverbreitete und häufige Zecken-​Art. In manchen Gegenden ist sie ein Massenlästling im Viehbestand. Es ist diese Zecke, in der die ⇒ transstadiale Übertragung von Theileria equi (Laveran, 1901) experimentell nachgewiesen wurde. cit. Sigrist [1983].

 

Wirte: Als hauptsächliche Wirte der Adulttiere werden immer wieder Hunde genannt. Es scheint sich allerdings zumindest außerhalb Europas keinesfalls um einen Spezialisten zu handeln, das Wirtsspektrum ist sehr breit: Säugetiere, insbesondere Haustiere (zB Rinder, Schafe, Ziegen) und Wildtiere (Hasen, Igel, Fuchs). Larven und Nymphen wurden auf Apodemus-​Arten in Frankreich und auf ungenannten Kleinsäugern in Armenien gefunden. Diese Zecke attackiert zumindest im Adult­stadium auch den Menschen. cit. Bursali et al. [2010] und Bursali et al. [2013].

  • Heimische Wirte ohne Stadienzuordnung:
  • Primates: Homo sapiens Linnaeus, 1758 dt: Mensch.
  • Artiodactyla: Bos primigenius taurus Linnaeus, 1758 dt: Hausrind;
  • Bubalus arnee (Kerr, 1792) dt: Wasserbüffel;
  • Capra aegagrus hircus Erxleben, 1777 dt: Hausziege;
  • Ovis orientalis aries Linnaeus, 1758 dt: Hausschaf.
  • Carnivora: Canis lupus familiaris (Linnaeus, 1758) dt: Haushund;
  • Canis aureus Linnaeus 1758 dt: Goldschakal;
  • Felis sylvestris sylvestris Schreber, 1775 dt: Wildkatze;
  • Martes foina (Erxleben, 1777) dt: Steinmarder.
  • Perissodactyla: Equus asinus asinus Linnaeus, 1758 dt: Esel;
  • Equus ferus caballus Linnaeus, 1758 dt: Hauspferd.
  • Eulipotyphla: Erinaceus europaeus Linnaeus, 1758 dt: Braunbrustigel;
  • Erinaceus romanicus Barrett-​Hamilton, 1900.
  • Lagomorpha: Lepus europeus Pallas, 1778 dt: Feldhase.
  • Rodentia: Apodemus sylvaticus (Linnaeus, 1758) dt: Waldmaus;
  • Rattus rattus alexandrinus (Linnaeus, 1758), dt: Alexandriner Hausratte.

Erregerfunktion: Unbekannt.

Vektorfunktion: Rhipicephalus turanicus ist als Vektor des Erregers des Krim-​Kongo-​Hämorrhagischen Fiebers und als ⇒ Über­träger von Piroplasmen, Anaplasmen und von Rickettsia massiliae Beati et Raoult, 1993 in Frankreich, Spanien, Griechenland und Sizilien bekannt. cit. Cicuttin et al. [2015] & Papa et al. [2016]. Zecken dieser Art tragen in Sardinien Anaplasma phagocyto­philum (Foggie, 1949) Dumler et al., 2001, Rickettsia spp. und Bartonella spp. in sich. Auch Coxiella burnetii (Derrick, 1939) wurde in ihnen gefunden. cit. Satta et al. [2011].