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Genau zu beschreiben, was sich nie zugetragen hat, ist nicht bloß die eigentliche Beschäftigung des Historikers, sondern das unveräußerliche Vorrecht eines jeden, der Begabung und Kultur besitzt.

Oscar Wilde, 1854-1900

Die Kunst der Parasitik


Zum Geleit: Obgleich ich zum Naturwissenschaftler ausgebildet wurde, versuche ich mit diesem Aufsatz einen Beitrag zur Verbindung zwischen den empirisch-analytischen und den historisch-hermeneutischen Wissenschaften zu leisten. Ich meine, dass ein Parasitologe informiert darüber sein sollte, woher jener Begriff stammt, der die Benennung der von ihm ausgeübten Wissenschaft repräsentiert. Denn, wie Jürgen Habermas schreibt, die historisch-hermeneutischen Wissenschaften helfen uns, Traditionen zu interpretieren, die uns unser Selbstverständnis besser erschließen.

W2.1 Der Parasitus der Antike

Ein παρασιτος = lateinisch parasitus der griechischen Antike war ein beim Gastmahl geduldeter, aber nicht eingeladener und nicht mit dem Gastrecht ausgestatteter Mitesser. Etymologisch leitet sich das Wort von „para” = bei, neben, nahe und „sitos” = Weizen, überhaupt Getreide, Korn im natürlichen Zustande; zubereitet dann Mehl, Brot; daher auch ganz im Allgemeinen Kost, Nahrung, Speise ab. Wie in der Antike üblich, standen kommunale Ämter und eine Berufsausübung im öffentlichen Raum fast ausnahmslos nur erwachsenen Männern offen. Deshalb wird in diesem Aufsatz nur auf die männliche Form des Phänomens eingegangen, eine Erwähnung einer Frau als parasitus ist mir nicht bekannt.

Dem wenig angesehenen (Berufs-)​Stand des parasitus in der klassischen antiken Gesellschaft ging jedoch eine Jahr­tausende-​lange Entwicklung voraus, die eine beispiell­ose Abwertung dieser sozial er­zwungenen Betäti­gung wider­spiegelt: Am Anfang steht die archaische jung-​stein­zeitliche Gesell­schafts­ordnung Griechenlands. Damals war der Dienst an der Gemeinschaft wesens­gleich mit dem Dienst an den Göttern. Der Diener einer Gott­heit war aber meist nicht der Priester. Dieser nämlich war der Interpret des Willens der Gottheit; in einer zeit­gemäßen Terminologie war der Priester der Interpret des allgemein­gültigen Gewohn­heits­rechts und der Wahrsager. Der ursprüng­liche Diener einer Gottheit hingegen war der Adminis­trator, der die Opfer­dienste zu ko­ordinieren hatte. Zu seinen Aufgaben zählten gewöhn­lich nicht nur die zeit­gerechte Bereit­stellung der Opfer­sache, sondern auch der Bau und die Erhaltung von den Göttern zuge­eigneten Anlagen wie Tempeln, Opfer­plätzen und Stadt­mauern. Er war jener Auserwählte, der die Opfer­gaben der Gemeinde, eine Frühform einer Gemeinde­steuer, den Göttern zur Alimen­tation vorlegte und dabei ein Drittel selbst zu seiner eigenen Ernährung nutzen durfte. Als geschätztes Mitglied des Mitarbeiter­stabs der Gottheit nahm der Gottes-​Diener, gleich jedem anderen freien Beschäf­tigten in einem Herren­haus, gemein­sam mit dem Haus­herrn, der Gottheit, das Mahl ein. Er war dann also „para” = beim und „sitos” = dem heiligen Getreide, dem Essen der Gottheit, den Opfer­gaben, er war der παρασιτος. Er speiste mit der Gott­heit, er war Mandatar des Haus­herrn, sein Unterhalter, der spätere Haushof­meister, und wohl auch Claqueur, wofür er mit Essen von der Tafel der Gottheit ent­schädigt wurde. Profan betrachtet erhielt er also eine Besoldung aus den der Gottheit zugesprochenen Steuermitteln. Der parasitus war damals ein, meist sogar der einzige Verwaltungsbeamter einer Gemeinde, er initiierte und koordinierte die meisten Gemein­schafts­vorhaben, die fast immer sakralen Charakter hatten. Von seinen Fähigkeiten hing das kommunale Wohl­ergehen und teilweise auch der innere soziale Frieden einer Glaubens-​Gemein­schaft ab. Wegen dieser hohen Verant­wortung wurde in den meisten archaischen Kommu­nen der parasitus aus der Gruppe der verdienst­vollen Bürger auf Zeit ausge­wählt - er sollte ja im Ideal­fall der ausge­wiesene Freund der Gottheit sein. Aus der Komödie Die Erbtochter von Diodoros von Sinope (3. Jht vChr) stammt die Ansicht, dass die Parasitik eine Kunst sei, und zwar die einzige, die von den Göttern geschaf­fen wurde; von Zeus Philos (Freund Zeus, vertrauliche Anrede), dem Gott der Freund­schaft und selbst ein hemmungs­los egoistischer Fresser und gewaltiger Säufer.


W2.2 Permutationen

Dieses idealtypische Bild eines parasitus erfuhr im Laufe einer mehr als ein Jahr­tausend andauernden gesell­schaftlichen Entwicklung zahlreiche Ver­änderungen. Diese sind haupt­sächlich geprägt durch lokale Sonder­entwicklungen, zB in der orientalisch-​hellenis­tischen Antike. Es kann aller­dings eine durchgehende Entwicklungslinie beobachtet werden:

Überall in der okzidentalen antiken Welt kam es zur Privatisierung des Opfers an die Götter und demzufolge zur Trennung des - jetzt privaten - Gottes-Dienstes von den öffent­lichen Verwaltungs­aufgaben und von der Rechts­sprechung. Als Konsequenz ergibt sich die Formierung eines zentralen Machtträgers, einer mit übergeordneter Gewalt, Imperium, ausgestatteten öffentlichen Verwaltungs- und Rechts­sprechungs­stelle, eines Tyrannen, Königs, Konsuls etc. Der parasitus jedoch, von Natur aus konservativ, verblieb als Gesellschafter der traditionellen Gottheiten bei den vollen Fleischtöpfen mit verminderter Verantwortung. Er wurde Schritt um Schritt ebenfalls privatisiert und damit aller seiner Verwaltungs­befug­nissen entkleidet. Letztendlich diente er nur mehr dem Anschein nach einer (römischen) Hausgottheit, er wurde zum mehr oder minder gerne geladenen Kultdiener, der sich dem Hausherrn anbiedern musste um erneut mitessen zu dürfen. Damit war er aber auch diesem weitgehend ausgeliefert, da er jede ökonomische Absicherung durch die Gemeinschaft und in der Folge die soziale Anerkennung verlor. Der weitgehende Verlust traditioneller Glaubens­vorstellungen in der späten Antike entzog dem parasitus jeglichen spirituellen Boden, er verkam zum Hofnarren und Possen­reißer und zum Schmeichler des Hausherrn. Vom sizilianischen Komödiendichter Epicharmos († 460 BC) stammt folgende abfällige Bemerkung über den parasitus: „Gern ist er Gast bei jedem, der ihn zu haben wünsche, man brauche ihn nur zu rufen, aber er kommt auch wenn man ihn nicht wünsche und man brauche ihn auch nicht zu rufen; da ist er liebenswürdig und mache viele Späße und lobe den Wirt, und wollte einer dem Wirte entgegensprechen, so schimpft er ihn und ist sein Feind, hat er sich dann satt gegessen und getrunken, geht er nach Hause, kein Sklave leuchtet ihm, allein schleicht er im Dunkeln.”

Zwei Formen einer abweichenden Entwicklung seien genannt:

Erstens wies der orientalische Teil der antiken Welt seit jeher eine bis heute wahrnehmbare Tendenz zur Vergöttlichung des jeweiligen Herrschers auf. Diese Neigung führte in der Konsequenz zu einem Rechts­anspruch des gottgleichen Herrschers auf eigene parasiti und damit zu einem Anrecht des Herrschers auf ein Opfer, dh auf eine Steuerleistung der Untertanen an seine Privatschatulle. Der parasitus des Ostens entwickelte sich also zum ungeliebten Steuer­eintreiber.

Zweitens kam es in den weitgehend säkularisierten Stadt­staaten der klassischen griechischen Antike zur Wandlung des parasitus vom sakralen Gottesdiener zum säkularen, auf öffentliche Kosten täglich im Volkshaus (Prytaneion) speisenden, verdienst­vollen Ehren­gast. Es entstand also aus der würdigen Gesell­schaft mit der Gottheit eine Art Alters­versorgung für ehrbare Ausge­diente.


W2.3 Erscheinungsformen

Bild-parasitos

Abb. 1: Ein para­situs. 2. Jht, Griechen­land. The British Mu­seum, London. © A. Hassl.

Zum klassischen parasitus, dem Hausnarren, war nicht jeder Bürger a priori gleich gut qualifiziert: Meist handelte es sich um einen unehelichen freien jungen Mann, der auf Grund seines Geburtsmangels üblicher­weise nicht erbberechtigt war, und somit nach dem Erlöschen der väterlichen Fürsorgepflicht verarmte oder aber als Erbberechtigter das väterliche Vermögen verprasste. Als Mitglied der antiken Familie genoss er zwar eine gute Erziehung, er wurde im Kreise seiner gesellschaftlich höher stehenden, erb­berechtigten Halb­brüder groß, besaß aber selbst kein Vermögen und auch kaum eine Aussicht auf den ehrbaren Erwerb eines solchen. Er konnte von sich aus nur durch „Heldentaten” während eines Feld­zugs bemittelt werden, also durch Raub und Plünderung, später auch durch eine Besoldung im Militär- und Staats­dienst. Wenn der Krieg jedoch zu früh zu Ende war, sich gegen ärmliche Feinde richtete, oder der Jüngling als Kriegsheld untauglich war, so war er ohne Einkommen. Körperliche Arbeit war damals den Sklaven, Knechten und Freigelassenen vorbehalten, wer arbeiten musste, rutschte automatisch auf deren soziale Stufe. Geistige Dienstleistung war ein honorar­freier Freund­schafts­dienst, und Miet-, Pacht und Zins­ein­kommen setzte Vermögen voraus. Einge­klemmt in diese soziale Zwangs­lage stand solchen jungen Männern nur eine dem damals gültigen Recht entsprechende Betätigung offen: Die Parasitik. Die Erlaubnis, beim Gastmahl im väterlichen Haus oder bei dem von Freunden des Vaters mitessen zu dürfen, musste jedoch oftmals bitter erkauft werden. Als Gegenleistung wurde erwartet, dass der Parasit für die Erheiterung der Gäste durch Schmeicheleien, Kunst­stücke, Erduldung von Demütigungen und poetische Erzählungen von - wenn möglich eigenen - sagenhaften Helden­taten sorgte. Manchmal wurde auch Prostitution, insbesondere die als schändlich angesehene mit alten Frauen, begehrt. Rechts ist eine Terrakottafigur eines parasitus aus römischer Zeit zu sehen. Damals wurde der Parasit angehalten, seinem Ernährer im Bade erniedrigende Dienste zu leisten. In der Abbildung wurde die strigilis (das Schabeeisen) zwecks besserer Kennung farbig in Gelb nachgefärbt.

Traditionellerweise werden zwei Typen unterschieden, der (gerade noch) ehrbare Unterhalter, eine Art untergeordneter Hausfreund, der aber meist auch Schläge und Demütigungen des (betrunkenen) Gastherrn und der Gäste einstecken musste (bekanntes Beispiel: der der Belustigung der Freier dienende Faustkampf des als parasitus verkleideten Hausherren Odysseus mit dem „Bettler” Iros bei seiner Heimkehr; 18. Gesang der Odyssee); und der

Bild-kolax

Abb. 2: Bühnen­maske eines kolax. Archäo­logi­sches Mu­seum, Lipari.
© A. Hassl.

Schmeichler, der κολαξ = kolax, der als Figur auf der Theaterbühne der älteren attischen Komödie einen eher miesen Charakter darstellte und im Leben als ehrlos galt, weil er häufig von Regenten als käuflicher „Analakrobat” wie Nutzvieh gehalten wurde. Von Klisophos aus Athen, dem kolax des makedonischen Königs Philipp II. (∗ um 382, † 336 vChr), wird berichtet, dass er lebenslang eines seiner gesunden Augen unter einer Binde verbarg, nachdem Philipp in der Belagerung von Methone sein rechtes Auge einbüßte. Dieser Typ ist nach U. Enzensberger [2001] vom parasitus streng zu unterscheiden.

In Theaterstücken treffen einige Komödien­dichter die Fest­stellung, dass es zwei Gattungen von Parasiten gäbe: Die eine, die gewöhn­liche und in der Komödie verspottete, die so genannten Schwarz­gekleideten, dh in Bühnen­kleidung auftre­tende Schau­spieler. Und dann gäbe es das andere Genus, welches aus schmeich­lerischen und schmarot­zenden Satrapen und Feld­herren gebildet werde. Aristo­phanes (∗ zwischen 450 und 444, † um 380 vChr) Werken wird nachgesagt, dass es in ihnen zur - den Autor durchaus persönlich gefährdenden - Gleich­stellung von demagogisch agierenden Politikern (Kleon) mit einem kolax des Demos (= Volks von Athen) kommt; also zur auch heute noch aktuellen Benennung eines Macht­habers als Schmeichler und Verführer seines Gastgebers, des Volkes.

Bild-parasitos mask

Abb. 3: Bühnen­maske eines para­situs. Archäo­lo­gi­sches Mu­seum, Lipari.
© A. Hassl.

Als Archetype ist der parasitus als Intrigant und Ränke­schmied in den Theater­stücken der klassischen und spät­klassischen Autoren, meist in Komödien, die die Lebens­beschrei­bungen der Armen sind, verewigt. Ab dem 4. Jht vChr war in der klassischen griechischen Komödie die Figur des parasitus der typische „trouble maker”. Die parasiti Apollinis, die Parasiten Apolls, waren eine ca 200 vChr gegründete, römische Tisch­genossen­schaft von Frei­ge­lassenen mit den Berufen Tragödien- und Komödien­darsteller, Schau­spieler unterge­ordneter Rollen, Pantomime und Mime. Sie wurde gegründet zum Zwecke der Verbes­serung der Lebens­umstände der Schau­spieler. Dies ist also der weltweit erste bekannt gewordene Schau­spieler­verband mit kollektiver Schutz­intention oder auch eine Bühnen­künstler­gewerk­schaft.

 

Berühmte parasiti der Sagenwelt

  • Der erfolg­reichste, weil in der Überlieferung unsterb­lich gewordene: Herakles. Er wurde als illegitimer Sohn des Zeus zum unvergänglichen Inbegriff eines antiken parasitus. Aufge­wachsen in einfachen, nicht standes­gemäßen Verhält­nissen - sein Stiefvater war der vertriebene, erfolglose König von Tiryns -, tat er sich durch besondere Grau­samkeit, Hemmungs­losig­keit und die Befähigung zur Massen­vergewal­ti­gung (De­flora­tion von 50 zwangs­ver­heira­teten Jung­frauen in sieben Nächten) in seinen jungen Jahren hervor. Nach seiner gewalt­samen Ent­leibung wurde er wegen seiner Gabe, die Runde der Götter mit ausge­dehnten Schil­derungen seiner Taten zu erheitern, an die Tafel der Göt­ter als ewiger Parasit berufen. Somit wurden sowohl er als Stamm­vater aller Dorer als auch die Berufung, ein Parasit zu sein, unsterblich - später rückte er sogar in die Welt der Halb­götter auf.
  • Der erfolgloseste, weil von der Tafel der Götter vertriebene und ewiglich verdammte: Tantalos. Er gilt als Urahn aller antiken parasiti. Als unehelicher, jedoch ehrbarer Sohn des Zeus tafelte er zwar als Parasit in der Runde der olympischen Götter, er und seine Nach­kommen hatten jedoch keinen Anteil am Haus der Unsterblichen. Um diesen zu hofieren und um sich selbst mit ihnen gleich zu stellen, gab er selbst ein Gastmahl für die Götter. Dafür opferte er das höchste Gut, über das er Ver­fügungs­gewalt hatte, er verkochte seinen leiblichen Sohn Pelops. Den olympischen Göttern, mit Ausnahme der urzeitlichen Jagd­göttin Demeter, schmeckte dieses archaische Menschen­opfer allerdings nicht (mehr). Transformiert bedeutet das, dass die von den Göttern gewollte, hierarchisch gegliederte Gesell­schafts­ordnung auch durch Opferung des Wert­vollsten nicht mehr zu durchbrechen war. Tantalos wurde vom jäh­zornigen Zeus schwer misshandelt, von der olym­pischen Tafel verstoßen und in die Unter­welt getrieben, wo er wegen seiner Anmaßung unendlich tantalische Qualen erleiden muss. Offen­kundig waren seine Unter­haltungs- und Koch­künste nicht (mehr) nach dem Geschmack der Zeit. Als demütiger Parasit an der Tafel der olympischen Götter scheint Tantalus inak­zep­tabel gewesen zu sein, seine Anmaßung wurde als ein Verbrechen gegen die Heilige Ordnung gesehen.
  • Der kryptische: Odysseus am Hofe des Schweine­hirten Eumaios (14. Gesang der Odyssee). Der alte, aber freie Schweinehirte Eumaios erkannte seinen Patron, Odysseus, nicht, als dieser nach 20-jähriger Abwesenheit heimkehrte. Dennoch nahm er ihn freundlich bei sich in seinem Haus auf und bewirtete ihn, um Näheres zum Schicksal seines Herrn zu erfahren. Denn Odysseus gab sich als hilfsbedürftiger Sohn eines reichen Kreters aus, erzählte von seinen Erfahrungen als Feldherr im Trojanischen Krieg und davon, dass er vom Verbleib Odysseus' unterrichtet sei und dass dieser bald heimkehren werde, was der Schweine­hirte aber nicht glauben wollte.
  • Der bizarrste, weil erst als Erschlagener bedeutsam und in den Aus­wirkungen seines Todes auf die Literatur Europas unermessliche: Patro­klos bei Achill (16. Buch der Ilias).
  • Der marginalste: Ion, der illegitime Sohn des Apollon Phöbos und der Kreusa, von seiner Mutter in einer Kiste ausgesetzt und von Hermes nach Delphi gebracht. Dort fristet er sein Leben als Tempel­diener im Tempel seines Vaters. Er ist der Stammvater aller Jonier.

W2.4 Die Rezeption des Begriffs

Die Transformation des antiken parasitus in einen natur­wissenschaftlichen Begriff erfolgte originär im Zuge einer irrigen Rezeption im 17. Jht. Die erstmalige Erwähnung der Eigenschaft „parasitisch” im heutigen Sinne findet sich - welch Ironie - in dem 1646 von Sir Thomas Browne verfassten Werk über populäre Irrtümer (Hoaxes) mit dem Titel Pseudodoxia Epidemica: or Enquiries into Very Many Received Tenets, and Commonly Presumed Truths. Um seinen Bildungsgrad in klassischer Literatur heraus­zustreichen nennt er Moose, Frauenhaar- und Tüpfelfarne, weil sie seiner - letztlich botanisch völlig irrenden - Meinung nach auf Kosten anderer leben, Para­sitische Pflanzen ( . . . and such as living upon the stock of others, are termed parasitical Plants, as Polypody, Moss, the smaller Capillaries, and many more: . . . II.vi 101-109). Die Parasitologie als Lehre von den parasitischen Lebensformen wird dann allerdings erstmalig erst 1893 in der Londoner Times genannt.

Auch einer der bedeutendsten Dichter deutscher Sprache, Friedrich Schiller, charakterisierte den Charakter eines seiner Zeitgenossen, Georg Forster, mit dem folgenden Xenion: „Erst habt ihr die Großen beschmaust, nun wollt ihr sie stürzen; hat man Schmarotzer noch nie dankbar dem Wirte gesehen.”

Ein interessanter Denkansatz ist der von Gottfried Eisenmann [1835], der Krankheit als Leben am Leben definierte und darauf hinwies, dass die Krankheitsursachen nur in einem für sie empfänglichen Organismus Krankheit erzeugen können.

Richard Dawkins bezeichnet religiösen Glauben als „parasitären Hirnkode” und als „Gedankenvirus aus der Bronzezeit”.


W2.5 Eigene Publikationen, zum Thema passend

  1. wik117 Hassl A [2005]: Der klassische Parasit: Vom würdigen Gesellschafter der Götter zum servilen Hofnarren. Wiener Klinische Wochenschrift 117 (Suppl 4): 2-5.

W2.6 Fremde Publikationen, zum Thema passend

  1. Browne T [1646]: Pseudodoxia Epidemica: or Enquiries into Very Many Received Tenets, and Commonly Presumed Truths. Edward Dod; London. 468 pp.
  2. Dawkins R [2008]: Vom Virus des Glaubens. Band 2 der giordano bruno stiftung. Alibri Verlag; Aschaffenburg. 42 pp.
  3. Eisenmann G [1835]: Die vegetativen Krankheiten und die entgiftende Heilmethode. J.J. Palm und E. Enke; Erlangen. 698 pp.
  4. Enzensberger U [2001]: Parasiten: ein Sachbuch. Eichborn Verl., Frankfurt/Main: 299 pp.
  5. Homer [ca 850 vChr]: Illias. 24 Gesänge.
  6. Homer [ca 850 vChr]: Odyssee. 24 Gesänge.